80er Demos und Protest

Die Ostermärsche

In Deutschland fand der erste Ostermarsch bereits 1960 statt. Der Bewegung gehörten zunächst lediglich Anhänger eines ethisch-religiösen Pazifismus an, deren erste Aktion der „Ausschuß für den Ostermarsch zum Raketen-Übungsgelände Bergen-Hohne“ war.
Die Initiative dazu ging von einer kleinen Gruppe religiös motivierter Pazifisten aus, die sich innerhalb der Hamburger Gruppe des "Verbands der Kriegsdienstverweigerer" (VK) zu einem "Aktionskreis für Gewaltlosigkeit" zusammengeschlossen hatten.

Schon bald wurde sie zu einer außerparlamentarischen Sammel- und Protestbewegung, die jedoch schon 1970 mit dem Austritt führender Mitglieder zunächst wieder zerfiel. Erst 1982 erlebte die Ostermarsch-Bewegung mit der Debatte über den NATO-Doppelbeschluß und die Nachrüstung in der BRD durch die beiden Machtblöcke, ein Wiederaufleben.

Durch selbstorganisierte Öffentlichkeitskampagnen, Demonstrationen, sogenannte „direkte Aktionen“ des gewaltfreien Widerstandes und des zivilen Ungehorsams der Ostermarsch-Bewegung, wurden in der Bundesrepublik neue Formen der unmittelbaren Interessenwahrnehmung der Bevölkerung eingeführt, die bis dahin als suspekt gegolten hatten und von den meisten Bürgern abgewehrt wurden.
Das Erfolgsgeheimnis der Ostermärsche bestand wohl darin, über kein Patentrezept zu verfügen, sondern ein Experimentierfeld für alle Beteiligten und somit in sich auch widersprüchlich zu sein.
Es handelte sich nämlich einerseits im Gegensatz zu anderen sozialen Bewegungen, um eine straff und von Einzelnen geführte Basisbewegung. Andererseits standen Privatinitiative, Meinungsvielfalt und Individualismus hoch im Kurs. So wurden nicht etwa Minderheiten und Extrempositionen ausgegrenzt, sondern zu einem Ganzen integriert.

Die Ostermärsche (und mit ihnen die gesamte Friedensbewegung) bewiesen, daß weltanschauliche und politische "Kulturschranken" überwunden werden können, wenn das vorrangige Interesse (in diesem Fall das Überleben der Menschheit im Atomzeitalter und demzufolge die Ablehnung aller Nuklearwaffen) eine Zusammenarbeit aller Kräfte in der Bevölkerung verlangt.

Ostermarsch
Ostermarsch - Fotokopie aus Düsterwald, H., u. a.: Gemeinsam handeln, Kieser-Verlag:Neusäß 1989,S.261

Die Ostermärsche waren also die ersten organisch gewachsenen Massenbewegungen in der Geschichte der Bundesrepublik die zuerst nur ganz wenige, später dann aber Millionen Menschen jeden Alters und jeder „Schicht“ erreichte. Sie waren die zeitgemäße Aktions- und Ausdrucksform der damaligen Protestbewegung und konnten aufgrund ihrer Interessenvielfalt nicht von Parteien bzw. Organisationen vereinnahmt werden, sondern blieben bis zuletzt unabhängig und überparteilich.

So wurde zum damaligen Zeitpunkt der Spielraum für neue politische Bürgerbeteiligungen erheblich erweitert und Bedingungen geschaffen, ohne die die Existenz der heutigen Bürgerinitiativen kaum denkbar wäre.