80er Demos und Protest

Die Friedensbewegung

„Friedensbewegung, Sammelbezeichnung für eine Vielfalt von Organisationen und Initiativen, deren Mitglieder aus ethischen, religiösen, ideologischen oder politischen Gründen für die Abrüstung und ein friedliches Zusammenleben der Völker eintreten und auf die Gefahren der militärischen Nutzung der Kernkraft aufmerksam machen.“ (Brockhaus)

Aber wie konnte man jenen außerparlamentarischen Kampf gestalten?
Hierüber gab es unterschiedliche Auffassungen gemäß den vielen unterschiedlichen Gruppierungen, aus denen sich die Friedensbewegung zusammensetzte.

Viele tendierten zum körperlichen Widerstand wie Sitzblockaden von z. B. Startrampen für Raketen, NATO-Flugplätzen und Militärbauten. Andere Aktivisten warnten vor einer solchen etwaigen Kriminalisierung der Friedensbewegung, was für sie auch zur Folge hätte, daß von ihren eigentlichen Zielen abgelenkt und die breite Bevölkerung so abgeschreckt würde.
Konsens war der gewaltfreie Widerstand und der zivile Ungehorsam, wie ihn schon Petra Kelly in ihrer Rede im Bundestag angesprochen hatte. Man könnte hier auch von dem weichen Wasser, das den harten Stein bricht, sprechen.

„Europa hatte zweimal Krieg
der dritte wird der Letzte sein
gib bloß nicht auf, gib nicht klein bei
das weiche Wasser bricht den Stein.
Die Bombe die kein Leben schont
Maschinen nur und Stahlbeton,
hat uns zu einem Lied vereint
das weiche Wasser bricht den Stein.
Es reißt die schwersten Mauern ein
und sind wir schwach und sind wir klein
wir wollen wie das Wasser sein
das weiche Wasser bricht den Stein.
Raketen stehn vor unserer Tür
die solln zu unserm Schutz hier sein
auf solchen Schutz verzichten wir
das weiche Wasser bricht den Stein.
Die Rüstung sitzt am Tisch der Welt
und Kinder die vor Hunger schrein
für Waffen fließt das große Geld
doch weiches Wasser bricht den Stein.
Komm feiern wir ein Friedensfest
und zeigen wie sich´s leben läßt
Mensch! Menschen könne Menschen sein
Das weiche Wasser bricht den Stein.“

In dem Stück „Das weiche Wasser“ der niederländischen Band bots von der LP „Entrüstung“ aus 1981 kommt auch zum Ausdruck, daß man durch solche Aktionen wie Friedensfeste und Ostermärsche, Solidarisierungseffekte in der Bevölkerung erreichen wollte.

Man veranstaltete also kleine Blockaden und Demonstrationen vor z. B. Raketenstellungen um die dort ansässige Bevölkerung auf die örtlich nahe Bedrohung aufmerksam zu machen. Damit einhergehend veranstaltete man Informationsveranstaltungen und verteilte Aufklärungsmaterial, damit man sein Anliegen auch plausibel machen konnte und eine Mehrheit in den dortigen Orten erringen konnte.
Dort, wo die Bevölkerung schon sensibilisiert war, veranstaltete man größere Demonstrationen, Feste und Blockaden um sich so noch mehr zu solidarisieren.
So konnte man bereits zu Zeiten der Schmidt-Regierung mit Hilfe des DGB, jener eine Liste mit 1,5 Millionen Unterschriften mit dem Appell „Frieden durch Abrüstung“ überreichen.

Naturfreunde Deutschland 1982
Die NaturFreunde Deutschlands 1982 (Bildquelle: http://bit.ly/1P16DvF - © NaturFreunde Deutschlands)

Die Friedensbewegung (und mit ihr, die anderen oben angeschnittenen Proteste) vermochte also zu jener Zeit die Ängste und die Unzufriedenheit vieler Bürger zu bündeln und auf ein gemeinsames Ziel zu lenken. Dieses Ziel war nun also die Politik der jeweiligen Bundesregierung, zusammen mit der Führungsmacht der NATO, den USA. - Ganz speziell personifiziert in Kohl und Reagan.

Verstärkend kam noch hinzu, daß der Prozeß der sicherheitspolitischen Willensbildung (zu jener Zeit?) hinter verschlossenen Türen, in den jeweiligen Gremien der Regierung stattfand und danach erst in die Öffentlichkeit gebracht wurde. Legitimation dieser Art von Willensbildung waren dann die Anforderungen und Auffassungen seitens der (in diesem Fall) Bündnispartner, welche auch einen großen Teil an Geheimhaltung mit beinhaltete.

Eine öffentliche, sich mit den Ängsten der Bürger befassende Auseinandersetzung blieb somit also aus.

So dachten die Regierungspolitiker damals, man könne die sicherheitspolitische Willensbildung in der Bevölkerung selber steuern, indem man seine Auffassungen darüber kundtat und hoffte, die Bevölkerung würde nun elitenabhängig dieser Politik zustimmen.

Dieses klappt aber nur bei einer Bevölkerung, die wie gesagt elitenabhängig ist, was meint, daß sowohl jene Politiker als auch andere Führungskräfte der Republik, allein über Konstellationen, Fakten, Hintergründe, etc. verfügen und demzufolge wissen, was „richtig“ ist und die Bevölkerung somit diesem Sachverhalt auch zustimmt.
Aber zu jener Zeit wurde auch der Normalbürger durch die Medien mit Fakten und Hintergründen über das Zustandekommen des NATO-Doppelbeschlußes und der Nachrüstung in der BRD, über die Stationierung der Pershing II, etc. bestens versorgt, was bei diesem zu Unzufriedenheit führte und er sich übergangen fühlte.
Breite Teile der Bevölkerung hatten so das Gefühl, die Legitimation zu ihrer Sicherheitspolitik hätte die Bundesregierung selbst erzeugt, obwohl jene immer wieder betonte, der Ausgang der letzten Bundestagswahlen wäre gleichbedeutend mit einem Konsens der Bevölkerung zur Nachrüstung.

10. Oktober 1982  Bonn
Friedensdemonstration in Bonn 1982
(Bildquelle: http://bit.ly/15vDwtB - © Bildarchiv Preußischer Kulturbesitz)
Und hier sprang die Friedensbewegung mit ihren Aktivisten in den öffentlichen Diskurs ein.

Sie sprach den Politikern, speziell der Regierung Helmut Kohls, ihre Legitimation ab, denn ihre Legitimation war die Nachrüstung als sicherheitsgebende Komponente gegen eine Bedrohung der Sowjetunion, wie sie ja auch Ausgangspunkt der SALT-Verhandlungen der USA mit der Sowjetunion war.

Die Friedensbewegung hingegen vertrat, auch aufgrund der Faktenversorgung durch Medien, die Meinung, Nachrüstung würde nur zu dem Zweck vollzogen, um eine militärische Überlegenheit der NATO / der USA zu gewinnen und einen eventuellen atomaren Erstschlag (der sich auf dem Gebiet Europas beschränken sollte) gegen die Sowjetunion auszuführen. An einer Abrüstung, wie sie in den Rüstungskontrollverhandlungen des NATO-Doppelbeschlusses ja enthalten war, sei der USA somit überhaupt nicht gelegen. Diese Vermutungen wurden dadurch gestützt, daß in den Medien immer wieder die strategischen Eigenschaften der Atomraketen in Zweifel gezogen wurden.
Feindbilder der Friedensbewegung waren also in allererster Linie Ronald Reagan, der ihrer Meinung nach Europa zugunsten der Weltbeherrschung der USA „opfern“ wollte und sein Freund Helmut Kohl, der dieser Taktik bedingungs- und skrupellos folgte und keine Meinung neben der eigenen duldete.