80er Demos und Protest

Demos & Protest am 10. Juni 1982:
Aufstehen für den Frieden

„Plant mich bloß nicht bei euch ein,
seit ich euch durchschaut habe, weiß ich,
daß ich nicht auf dem allerfalschesten Dampfer bin.
Ich habe mit eurer Logik nichts am Hut,
wieso ihr für das, was ihr getan habt, und noch vorhabt,
über Leichen geht.

Denn was ihr logisch nennt, das nenne ich pervers,
eure ganze Wertigkeit auch.
Mir bricht der Schweiß bei jedem Wort von euch aus
und wenn ihr still seit, dann auch.
Was ihr Moral nennt, das ist für mich Krampf,
was ihr normal nennt, das auch.
Eure Ideale habt ihr diskret verschlammpt,
wie ein gebrauchtes Tempotuch.
Seit ihr scheuklappenblind
wie es alte Schlachtrösser sind
abgestumpft oder bloß – skrupellos?

Ihr Nadelstreifen-Schreibtischtäter, hört gut zu,
egal, wo ihr euch versteckt:
Die Sorte stirbt aus, die ihr Marionetten gleich
als Minenhunde vorschickt.
Eure Schachfiguren haben das Denken gelernt
und springen einfach vom Brett.
Bis zum Kadaver wird jetzt nicht mehr pariert.
Probiert doch selbst, wie Dreck schmeckt.
Noch ist es nicht so weit,
doch seit einiger Zeit
werden es Tag für Tag mehr – immer mehr.“

Diesen Text schrieb Wolfgang Niedecken, Sänger und Texter der Kölner Band BAP anläßlich der Großdemonstration „Aufstehen für den Frieden“ in der Bonner Rheinaue am 10. Juni 1982, wo sich ca. 400.000 Nachrüstungsgegner versammelten. Zu finden ist der Song auf der LP „Vun Drinne Noh Drusse“ aus dem Jahr 1982.

BAP - Zehnter Juni 1982
BAP - Zehnter Juni 1982 - Fotokopie aus dem Booklet der LP "Vun Drinne Noh Drusse" (1982) - © dpa

Diese Bild verdeutlicht ganz gut, wie diese Großdemonstration aussah, und der Text von Wolfgang Niedecken dazu, drückt meiner Meinung nach sehr gut die damalige Befindlichkeit der Anwesenden aus.

Anlaß jener Großdemonstration war auch der Besuch Ronald Reagans bei Helmut Kohl in Bonn.
Denn hatte sich Helmut Schmidt noch durch seine koexistentiell geprägte Mitgliedschaft in der NATO, die ja mehr den Schutz Europas in den Vordergrund stellte und beschwichtigend auf die Politik der USA einzuwirken versuchte, hervorgetan, so war nun also durch den Regierungswechsel in Bonn eine vollkommen neue Konstellation entstanden.
Friedensaktivisten sahen nun ihre Interessen nicht mehr wahrgenommen, wie das zum Teil noch unter der Schmidt-Regierung, auch durch Druck der Gewerkschaften und der „human - demokratisch - antimilitaristisch verpflichteten“ SPD, geschehen war.
Hinzu kamen ihrer Meinung nach auch, daß durch die neue Regierung Werte in die Gesellschaft getragen wurden, die eine gefährliche Tradition hatten:
Verschärfte Demonstrationshindernisse, Berufsverbotspraxis, Gleichsetzung von Sozialismus mit Unfreiheit, Beschneidung schwer errungener Volksrechte und demokratischer Entfaltungsmöglichkeiten, Überschätzung des militärischen Faktors zu Ungunsten sozialer Erfordernisse. Außerdem waren sie der Meinung, daß jene zu stationierenden Atomwaffen nicht dem Schutz Europas dienen sollten, sondern für einen Erstschlag seitens der NATO aufgestellt werden sollten.

Die Friedensbewegung setzte somit auf den außerparlamentarischen „Kampf“, denn sie dachte, daß selbst eine CDU/CSU/FDP-Regierung gegen wachsenden massiven Widerstand im Volk die Stationierung von Atomwaffen nicht durchsetzen könne.
Hauptgegner der Friedensbewegung waren also die Bundesregierung und somit auch die USA, personifiziert in Ronald Reagan.