80er Aufrüstung

Der NATO-Doppelbeschluß und die Nachrüstung in der BRD

Am 12. 12. 1979, also noch zu Zeiten des Kalten Krieges, verabschiedeten die Außen- und Verteidigungsminister der NATO-Mitgliedsstaaten in Brüssel den NATO- Doppelbeschluß.
Dieser hatte zum Inhalt, daß aufgrund der wachsenden nuklearen Bedrohung seitens des Warschauer Pakts (unter Führung der damaligen Sowjetunion) in Westeuropa eine „Nachrüstung“ stattzufinden hätte.
Waren es auf der einen Seite die sowjetischen Mittelstreckenraketen SS 20, so sollten in der BRD und in weiteren westeuropäischen Staaten insgesamt 572 amerikanische Mittelstreckenraketen (464 Marschflugkörper des Typs Cruise Missile und 108 Pershing II-Raketen) stationiert werden, um somit der Bedrohung entgegenzuwirken. Der NATO-Doppelbeschluß beinhaltete des weiteren ein „Rüstungskontrollangebot“ an die Sowjetunion, welches meinte, daß Rüstungskontrollverhandlungen mit dem Ziel beidseitiger gleicher Begrenzungen für jene nuklearen Waffengattungen vereinbart werden sollten.
Datum über die Entscheidung zum Vollzug zur Stationierung war der Herbst 1983.

Der NATO-Doppelbeschluss wird beschlossen
1979 beschließt die NATO eine "zweigleisige" Antwort auf die SS-20 Stationierung: Den NATO-Doppelbeschluß. (Bildquelle: http://bit.ly/1R99XUI - © NATO)

Die Vorgespräche zu den Rüstungskontrollverhandlungen waren im Oktober 1980. Die eigentlichen Gespräche begannen erst im November 1981 nach der Präsidentschaftsübernahme des konservativen Ronald Reagan in den USA. Da die Verhandlungen bis Ende 1983 zu keinem Ergebnis kamen, beschloß man auf westlicher Seite, mit der Stationierung der Mittelstreckenwaffen zu beginnen, was zur Folge hatte, daß die Sowjetunion die Verhandlungen abbrach.
Unmittelbar danach wurden die ersten nuklearen Raketen in Westeuropa in Stellung gebracht.

Strategie der NATO war also, durch gegenseitige „nukleare Abschreckung unter der Bedingung strategischer Parität zwischen den Supermächten und gesicherter Fähigkeit zur gegenseitigen Vernichtung“ eine Art Sicherheit aufzubauen.

Hierbei gab es allerdings unterschiedliche Sicherheitsinteressen und -bedürfnisse innerhalb der NATO-Bündnispartner.
So kamen schon in den siebziger Jahren bei den westeuropäischen Bündnispartnern Befürchtungen über eine mangelnde Berücksichtigung ihrer Interessen seitens der USA hinsichtlich ihrer Sicherheit gegenüber der Sowjetunion auf. Denn ganz besonders Westeuropa fühlte sich durch die Aufrüstung, nicht nur von Mittelstreckenraketen, der Sowjetunion massiv bedroht, da jene ja genau auf Westeuropa zielten. Sie suchten nach einem Schutz- und Bündnispartner vor jeglicher Art der militärischen Auseinandersetzung mit der Sowjetunion.

Schmidt Carter Nato-Doppelbeschluß
Bundeskanzler Helmut Schmidt und der amerikanische Präsident Jimmy Carter zu Besuch in der BRD.
(Bildquelle: http://bit.ly/YiKbzG - © Bundesregierung/Schaack)
Die USA hingegen hatten kein Interesse daran, bei welcher Art der militärischen Auseinandersetzung der Sowjetunion mit Westeuropa auch immer, ihr eigenes Land durch eine Eskalation in Europa, der Totalvernichtung durch sowjetische Atomraketen auszusetzen.
Da bis dorthin somit ausschließlich Verhandlungen zwischen den USA und der Sowjetunion liefen (SALT-Verhandlungen), wollten sich die Westeuropäer nun mehr einbezogen fühlen. Dies muß man wohl auch als Begründung heranziehen, wenn man sich die Rede des damaligen Bundeskanzlers Helmut Schmidt (SPD) vor Augen hält, welche den eigentlichen Startschuß zum NATO-Doppelbeschluß gab. Er hielt diese Rede 1977 vor dem Londoner Institute for Strategic Studies.

Inhalt dieser Rede war, „die Mittelstreckenwaffen aus der verhandlungspolitischen Grauzone herauszuholen, in der sie sich durch die

Beschränkung von SALT auf nuklearstrategische Waffen befanden, und sie ebenfalls zum Gegenstand von Rüstungskontrollverhandlungen zu machen.“
Die SALT-Verhandlungen befaßten sich ja lediglich mit nuklearen Langstreckenwaffensystemen, die Sowjetunion und USA gegenseitig bedrohten.

Von den USA also erst skeptisch aufgenommen, entschied sie sich dann unter den militär-strategischen Erwägungen der Regierung Ronald Reagans dazu, den NATO-Doppelbeschluß nicht nur zu unterschreiben und als „Beruhigungspille“ für die Westeuropäer zu begreifen, sondern durch die Nachrüstung eine Politik der Stärke, nicht nur in Europa, zu demonstrieren.
So hatte man letztendlich nicht nur die transatlantischen Bündnispartner wieder mit an Bord, sondern auch in der Nachrüstung ein notwendiges Potential zur Eskalationskontrolle in Europa – und somit einen Schutz des eigenen Landes vor Atomraketen - gefunden. Bei den anschließenden Verhandlungen mit der Sowjetunion zum NATO-Doppelbeschluß bestimmten aber wieder allein die USA unter Führung ihres Präsidenten Ronald Reagan den Lauf der Ereignisse und degradierten die westeuropäischen NATO-Partner somit zu Zuschauern.
Dies hatte, wie weiter oben bereits angesprochen, dann zur Folge, daß aufgrund der divergierenden Interessen und der Ideologie der USA, mehr die Politik der Stärke und mit ihr die Nachrüstung im Vordergrund stand, welches vielleicht sogar zu einem Scheitern der Verhandlungen führen mußte.
Die Folge war also die Stationierung von Mittelstreckenraketen in Europa - und somit natürlich auch in der BRD.
Damit begann ein immenses Wettrüsten auf beiden Seiten der Machtblöcke, also zwischen NATO und Warschauer Pakt.

Zu erneuten Verhandlungen über Rüstungskontrollen, die ja ursprünglich ebenfalls Inhalt des NATO-Doppelbeschluß waren (und die vielleicht auch die eigentlichen Intentionen Helmut Schmidts waren), kam es erst wieder 1985, also nach dem Regierungswechsel in Bonn.
Diesmal allerdings erfolgreich, denn 1987 endlich einigten sich US-Präsident Reagan und der nun regierende KpdSU-Generalsekretär Gorbatschow über ein Abkommen zur weltweiten Verschrottung aller nuklearen Mittelstreckenraketen von 500 bis 5000 Kilometern Reichweite.
Die weiteren Folgen und Hintergründe hiervon sind allerdings ein anderer Teil der (auch bundesdeutschen) Geschichte.