Pop and Wave

„Paul ist tot“

Die Fehlfarben veröffentlichten bereits 1980 mit der LP „Monarchie und Alltag“ „das beste Buch des Jahres“ (Peter Glaser). Sie wurden damit zur ersten Kultband der Neuen Deutschen Welle.

Diese Neue Deutsche Welle (NDW) entstand Anfang der 80er Jahre aus dem Punk, der ja hauptsächlich in England 1976 bis 1980 seinen breiten Eindruck hinterlassen hatte. Aus eben diesem Punk entstand dann der New Wave oder auch Post-Punk, der auch mit Computern experimentierte und so das Spektrum an musikalischen Ausdrucksmöglichkeiten erheblich erweiterte. Hier lassen sich als Beispiele die frühen Human League, Joy Division, Bauhaus, P.I.L., Simple Minds, Heaven 17, The Cure, Siouxsie and the Banshees, Cabaret Voltaire, Soft Cell und (tatsächlich) Depeche Mode festmachen, so unterschiedlich ihre Intentionen auch waren.

Joy Division
Joy Division gelten immer noch als ein der einflußreichsten Bands überhaupt. (Bildquelle: http://bit.ly/T5cwsi)
Hiervon ließen sich die ersten Bands in Deutschland inspirieren und übernahmen außerdem gleich deren Namen und deren Outfit. Dieses Outfit stammte ebenfalls überwiegend aus der Punk-Ära: Die Haare waren zwar nicht mehr zum Irokesenschnitt gestylt, dennoch waren sie mit Gel etc. so in Form gebracht, so daß man meinen konnte, jene Musiker waren gerade erst aus ihrem Bett aufgestanden und hätten keine Zeit mehr gehabt, sich zu kämmen. - Dies war wahrscheinlich auch der Ausgangspunkt für die allseits bekannten und schon angesprochenen hochtoupierten Haare, nicht nur beim weiblichen Geschlecht.

P.I.L.
P.I.L. - Keith Levene, Jah Wobble und John Lydon
(Bildquelle: http://bit.ly/YEqdQR)

Deutscher New Wave als Bezeichnung, weil es sich bei dieser Musik erstmals seit Jahren wieder um deutschsprachige Musik für Jugendliche (Popmusik?) handelte.
Dieser Musikstil entwickelte sich zuerst in Berlin, wo ja von jeher ein reger Underground herrschte, an dem sich auch ausländische Musiker nährten – so auch David Bowie und Iggy Pop in der Zeit von 1976 bis 1978.

1980 waren es allerdings Bands wie beispielsweise Ideal, Spliff (die Ex-Band von Nina Hagen), Tempo, Nichts, PVC, Neon Babies, Einstürzende Neubauten, Extrabreit, Grauzone, Geisterfahrer, DAF, S.Y.P.H., Der Plan, Extra und eben Die Fehlfarben.
- Sie waren (wenn auch nicht ausschließlich aus Berlin) zwischen Punk und Avantgarde anzusiedeln.

Einstürzende Neubauten
Einstürzende Neubauten - Radikal und doch poetisch
(Bildquelle: http://bit.ly/153DIPB)
Sie drückten ihre Befindlichkeiten - und auch die der meisten jugendlichen Deutschen - in rauher einfacher Musik mit deutschen Worten aus, so daß auch Jugendliche mit nicht allzu guten Englischkenntnissen deren Texten folgen konnten.
Dies hatte zur Folge, daß die NDW - vielleicht auch zu schnell - an Popularität gewann.

Denn einerseits bereitete sie den Weg für viele weitere wichtige deutsche Musiker und Bands wie z. B. BAP und Herbert Grönemeyer an die Öffentlichkeit (und somit in die Hitparaden) und ermöglichte auch vielen weiteren Bands in der heutigen Zeit, sich in deutsch auszudrücken und besser verstanden zu werden.
Zum Anderen aber bereitete sie auch den Weg für Bands und Interpreten, wie ich sie bereits in „Die 80er“ aufgeführt habe, die dann die NDW durch ihre Debilität und Simplizität schnell zu Grabe trugen, aber immer noch und gerade aus heutiger Sicht der Jugendlichen für gerade diese exemplarisch stehen.

Dies kam natürlich auch dadurch zustande, daß die Plattenindustrie sehr schnell erkannte, daß die Nachfrage nach Popmusik mit deutschen Texten riesig war und sich somit ein großer Markt für sie auftat. Diesen Markt galt es nun zu bedienen. Und dies geschah in einem solchen Übermaß, daß es sich letztendlich nicht vermeiden ließ, daß auch viele Musiker einen Plattenvertrag bekamen, die unter anderen Umständen nie eine Chance gehabt hätten, Aufmerksamkeit zu bekommen. Sie traten teilweise in der ZDF-Hitparade auf und waren manchmal nicht mehr von den anderen dort anwesenden Schlagerinterpreten zu unterscheiden (eine rühmliche Ausnahme bildeten damals Trio mit ihrem gar nicht so albernen Titel „Da da da“).
Dieser Ausverkauf der NDW dauerte demzufolge auch nur ein paar Jahre, hinterließ aber den nachhaltigsten Eindruck, der eben bis heute besteht.

Monarchie und Alltag
"Monarchie und Alltag" - Immer noch eines der
wichtigsten deutschsprachigen Alben überhaupt.

Mit dem Song „Ein Jahr(es geht voran)“ allerdings (der auch heute noch auf keiner 80er-Jahre-Party fehlen darf) stifteten die Fehlfarben schon 1980 den Hausbesetzern und Nato-Nachrüstungsgegnern die ultimative Hymne.

Aber schon 1982, mit dem Beginn der „geistig und moralischen Wende“ durch die Regierungsübernahme Helmut Kohls und seiner christlich-liberalen Koalition und zur Hochzeit des NDW, wurde dieser Song mißinterpretiert, denn die meisten Jugendlichen dachten, mit dem Text würde ausgedrückt, daß hiermit der Aufschwung in der BRD gemeint wäre. – Ein Irrglaube, der sich aber schon bei näherem Hinhören revidiert:

„Keine Atempause, Geschichte wird gemacht – es geht voran.
Space-Labs fallen auf Inseln – vergessen macht sich breit – es geht voran.
Berge explodieren, Schuld hat der Präsident – es geht voran.
Graue B-Film-Helden regieren bald die Welt – es geht voran ...“

Ebenfalls auf „Monarchie und Alltag befand sich „Paul ist tot“. Ein Song, der (subjektiv betrachtet) wie wohl kein zweiter für den Beginn der 80er Jahre und das Gefühl Jugendlicher zu jener Zeit steht. Er läßt Spielraum für mehrere Interpretationsweisen und ist dennoch in sich komplex.

„Ich schau mich um und seh nur Ruinen.
Vielleicht liegt es daran, daß mir irgendetwas fehlt.
Ich warte darauf, daß du auf mich zukommst.
Vielleicht merk ich dann, daß es auch anders geht.
Dann stehst du neben mir und wir flippern zusammen.
Paul ist tot kein Freispiel drin.

Ein Fernseher läuft, taub und stumm.
Ich warte auf die Frage, die Frage, wohin.

Was ich haben will, das krieg ich nicht und was ich haben kann, das gefällt mir nicht.

Ich traue mich nicht laut zu denken.
Ich zögere nur und drehe mich schnell um.
Es ist zu spät, das Glas ist leer.
Du gehst mit dem Kellner und ich weiß genau warum.

Was ich haben will, das krieg ich nicht. Und was ich haben kann, das gefällt mit nicht.

Ich will nicht, was ich seh, ich will, was ich erträume.
Ich bin mir nicht sicher, ob ich mit dir nicht etwas versäume.“

Worum geht es hier tatsächlich und wie ist dieser Song zu verstehen? - Hier ein Interpretationsversuch.