80er Aufrüstung

Der Regierungswechsel in Bonn 1982

Ein weiterer wichtiger politischer Hintergrund Anfang der 80er Jahre war die Regierungsübernahme der CDU/CSU zusammen mit der FDP.
Denn durch den Rücktritt sämtlicher FDP-Minister bricht 1982 die sozial-liberale Regierungskoalition unter Helmut Schmidt auseinander. Dies hat zur Folge, daß am 1. Oktober jenes Jahres Helmut Kohl durch die Stimmen der CDU/CSU und der FDP durch ein konstruktives Mißtrauensvotum zum neuen Kanzler gewählt wird.

Schmidt Kohl Missrauensvotum 1982
Nach dem konstruktiven Misstrauensvotum am 01.10.1982 gratuliert der bisherige Amtsinhaber Schmidt seinem Nachfolger Kohl zu seiner Wahl als Bundeskanzler. (Bildquelle: http://bit.ly/WSqrax - © Ludwig Wegmann)
Bei den Bundestagswahlen im März 1983 wird die neue Koalition klar bestätigt und beschließt im November 1983 mit der Mehrheit der Koalition, gegen die Stimmen der SPD und der erstmals in den Bundestag eingezogenen Grünen, die Zustimmung zum NATO-Doppelbeschluß.

Dieser Zustimmung zum NATO-Doppelbeschluß gingen heftige Kontroversen im Bundestag voraus. Hier ein paar Zitate:

„Mit der Stationierung stiftet diese Regierung nicht nur Unfrieden nach außen, sondern sie bewirkt auch Friedlosigkeit nach innen.“ (Gerhard Schröder, SPD)

„Wer in diesem Lande, wäre nicht für den Frieden. Friedensbewegung, das sind alle Deutschen. Aber diejenigen, die in erster Linie auf der Straße demonstrieren, und das Monopol für sich in Anspruch nehmen, das ist ganz stark auch eine Angstbewegung.“ (Volker Rühe, CDU)

„Wenn wir mit unserem gewaltfreien Widerstand und mit unserem zivilen Ungehorsam, Gesetzesregelungen und Gesetze überschreiten, dann ist es deswegen, weil wir mit einem höheren Gesetz - das Gesetz des Gewissens - rechnen. ... Und wenn gesagt wird, die Friedensbewegung ist die Angstbewegung, weise ich dies zurück. Das hier ist die Angstbewegung, die hier auf dieser Regierungsbank sitzen und uns Angst machen.“(Petra Kelly, Die Grünen)

„Ich habe Respekt vor der persönlichen Gewissensüberzeugung eines jeden, die in der Friedensdiskussion zum Ausdruck kommt. Aber nach unserer demokratischen Verfassung, liegt die Entscheidung bei der Mehrheit des frei gewählten Parlaments. ... Das Leitmotiv meines Handelns bleibt ..., Frieden schaffen mit immer weniger Waffen.“ (Helmut Kohl, Bundeskanzler CDU)

Die Interessen und neuen Machtverhältnisse waren also schon vor der Debatte klar abgesteckt, weshalb man sich vorzugsweise darauf beschränkte, den politischen Gegner teilweise sogar zu diffamieren.
So mußten sich nun auch Helmut Schmidt und Willy Brandt dafür rechtfertigen, weshalb sie nun, zusammen mit der SPD, gegen diesen Beschluß stimmten, obwohl sie doch jenen NATO-Doppelbeschluß zur ihrer Regierungszeit selbst Jahre zuvor in die Wege geleitet hatten und bis zum Regierungswechsel geschlossen hinter ihm standen.
Ihnen wurde vorgehalten, unglaubwürdig und opportunistisch zu sein, was wohl auch ein Grund dafür gewesen sein mag, weshalb die Debatte immer mehr in Diffamierungen und Schuldzuweisungen ausartete und für den außenstehenden Betrachter (Bundesbürger) somit als wenig befriedigend empfunden wurden, da es sich hier ja eigentlich um die elementarsten Interessen eines jeden handelte.
Lediglich die Rede Helmut Schmidts wurde mit Spannung erwartet, denn er mußte an dieser Stelle nun endlich seinen Sinneswandel deutlich machen.

„ ... zu meiner Zeit waren wir Deutschen in Moskau die wichtigsten Gesprächspartner innerhalb Europas. Heute sind wir nur noch wichtigstes Ziel für psychologischen und politischen Druck.“
Meinte er damit die, weiter oben schon angesprochenen, wieder neu hergestellten Machtverhältnisse innerhalb der NATO, welche zu jener Zeit ja wieder von den USA beherrscht wurde und somit keine Vertretung europäischer Interessen bei den „Rüstungskontrollverhandlungen“ erlaubte?
Viel mehr hatte jedenfalls auch er nicht zu bieten und flüchtete sich ebenfalls in die oben angesprochenen Rhetorik.

Gleichzeitig wurden vor dem Bundestag ein Großaufgebot an Polizeikräften aufgeboten, weil man heftige Proteste der Friedensbewegung befürchtete, welche allerdings schon am zweiten Tag aufgrund der heftigen „Präsenz“ der Polizei, zumindest vor dem Bundestag, ausblieben.

Wasserwerfereinsatz Friedensdemo
Ein Wasserwerfereinsatz bei einer Friedensdemonstration.
(Bildquelle: Düsterwald, H., u. a.: Gemeinsam handeln, Kieser-Verlag:Neusäß 1989,S.359)

Die Grünen, als Zeichen der Unzufriedenheit der nicht nur jugendlichen Bevölkerung mit den etablierten Parteien in den Bundestag eingezogen, protestierten, zusammen mit Nachrüstungsgegnern, innerhalb der Bannmeile mit Plakaten und Halstüchern gegen das Wettrüsten des NATO-Doppelbeschlußes, was die Polizei veranlaßte, dies als verbotene Demonstration einzustufen, mehrere Grünen-Politiker vor dem Plenum verhaftete und die Demonstration auflöste.
Andere grüne Parlamentsmitglieder protestierten mit den gleichen Utensilien im Plenum und wurden ebenfalls daran gehindert. Otto Schily, damals noch Grünen-Sprecher, erteilte man daraufhin Redeverbot, da er sich darüber echauffierte, daß durch jene Methoden der Polizei und der Parlamentsdiener die Meinungsfreiheit der großen Mehrheit der Bundesbürger beschnitten würde und somit die gesamte Demokratie in Frage gestellt sei.

Denn weitere politische Themen jener Jahre waren Parteispendenaffären, Umweltschutz, Anti-Startbahn-West-Proteste, Anti-Atomkraft-Demonstrationen, von welchen letztere beide oft mit gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Polizei einhergingen und aus welchen Bewegungen sich, genau wie aus die der Friedensbewegung, die Grünen rekrutierten.

Dies wird in dem Song „Aufstehn“ von bots, welcher dies quasi alles zusammenfasst und zur Demonstration dagegen aufruft, gut zusammengefasst.

Diese gesamte politische Entwicklung in der BRD ließ bei weiten Teilen der „friedensbewegten“ Bevölkerung Befürchtungen aufkommen, die neu gewählte Regierung würde sich bedingungslos Reagans Konfrontations- und Boykottkurs bei den Verhandlungen mit der Sowjetunion anschließen und damit eine verschärfte weltpolitische Lage, hin zu einem dritten Weltkrieg, heraufbeschwören, was wohl auch in dem Songtext „Paul ist tot“ zum Ausdruck kommt.